Künstlerportrait Dagmar Schauer
Das künstlerische Schaffen Dagmar Schauers ist nach reiflicher Überlegung und dem Zusammenfassen ihres bisherigen Lebenswerkes auf sowie abseits des Papieres wie folgt zu beschreiben: „Willst du das Unsichtbare kennenlernen, ergib dich mit ganzem Herzen dem Sichtbaren“ (ein Zitat des 1950 verstorbenen Malers Max Beckmann).
Die Malerin und Grafikerin möchte mit ihren Werken dem Betrachter nichts vorgeben, sondern ihn zur intensiven und ständigen Auseinandersetzung einladen.
Am Dienstag, dem 2. Dezember 2020, inmitten der Turbulenzen der jetzigen Umstände, saß ich mit der Künstlerin bei Kerzenschein zusammen und bat sie mir von ihrer Arbeit und ihrem Leben zu erzählen.
Dagmar Schauer wurde 1968 in St. Pölten geboren und ist in Neumarkt an der Ybbs aufgewachsen. Die Eltern führten eine Bäckerei und Dagmar Schauer, das zwölfte Kind der Großfamilie, war schon damals, wie sie meint, ein Naturkind.
Und, wie sich in unserem Gespräch herausstellt, auch künstlerisch talentiert. Bereits im zarten Alter von sieben Jahren, „ging meine Nachbarfreundin Waltraud von Haus zu Haus und verkaufte meine Zeichnungen.“ Sie schmunzelt: „… jedoch nur um einen Pappenstiel, aber es reichte aus, um sich danach Süßigkeiten zu kaufen.“
Nach Beenden der Hauptschule in Blindenmarkt rät ihr Bruder Wolfgang ihr, auch eine weiterführende Grafiker HTL zu besuchen, denn er meint, sie habe Talent. Nun schalten sich jedoch auch die Eltern ein und meinen: Das Kind soll einen anständigen, sicheren Beruf erlernen.
„Ich habe es wirklich gerne gehabt, ein leeres Blatt Papier mit Farbe auszufüllen und etwas entstehen zu lassen. Daran hat sich bis heute nichts geändert“, fügt sie hinzu. Umso mühsamer war für sie die kaufmännische Ausbildung an der Handelsschule und der Job als Büroangestellte.
„Ende der 1990er-Jahre belegte ich dann im Waldviertel drei Ölmal- und Aktzeichnenkurse. Und da riet mir ein Lehrer, meinem Talent eine Chance zu geben.“ Doch dies war noch nicht alles. Nachdem ihren Arbeits-kollegen die Portraits, welche in besagten Kurs entstanden sind, sehr gefielen, bekam sie mehrere Aufträge, die Kinder der Kollegen zu malen. „Ich habe mich sehr gefreut, dass meine Bilder auch gut ankamen.“
„Ich merkte schon bald, dass mir die künstlerische Betätigung etwas gibt, was mir der kaufmännische Beruf nicht geben kann und nie gegeben hat: geistiges und seelisches Leben.“ Das Malen, der neue Beruf, ist zur Berufung geworden.
Malen und Zeichnen ist für Dagmar Schauer seit jeher ein großes Bedürfnis. „Ich möchte nie wieder etwas anderes tun, außer meiner Kreativität freien Lauf zu lassen“, meint sie. Und das setzte sie auch in die Tat um. So begann sie 1999 an der Wiener Kunstschule, Malerei und Druckgrafik zu studieren.
Durch intensive Arbeit entstanden im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Wiener Kunstschule insgesamt vier Serien zum Thema „Schöpfungsgeschehen“ mit 24 Druckgraphiken.
Bald nach Abschluss der Kunstschule fand die erste Vernissage in den Räumen der Verbund-Telekom Service GmbH in Wien statt. Insgesamt wurden 40 Kunstwerke ausgestellt, darunter Radierungen, Aquarelle und Grafiken. Doch ausgelernt, meint Dagmar Schauer, hatte sie noch lange nicht.
Für den künstlerischen Entwicklungsprozess waren für sie zuerst das Studium der alten Meister wie Michelangelo, Rembrandt, Rubens, Leonardo da Vinci und gleichzeitig das Naturstudium wesentlich. „Die Geheimnisse rund um uns kennen zu lernen und sie aus der Natur herauszulocken“, erzählt sie, fasziniere sie am meisten. „Die Natur ist nicht von Menschenhand gemacht, es gibt eine höhere Ordnung und ich versuche, das herauszukristallisieren.“
„Meine ersten neun Maljahre“, erklärt sie mir, „war ich eigentlich Schüler. Schüler meiner größten Vorbilder: Morandi, Chagall, Cezanne und Redon. Chagall war auch derjenige, bei dem ich das erste Mal eine eigene Formensprache erkennen konnte.“ Das beeindruckte sie so sehr, dass auch ihr Endziel wurde, einen eigenen Stil und eine ganz eigene Formensprache zu entwickeln. Ihr selbst so richtig bewusst geworden ist dies jedoch erst im Jahr 2006.
„Schlussendlich möchte ich mich auch in der Kunst nicht einer Herde anschließen, sondern mich aufrichtig ganz zu meiner Individualität bekennen und das tun, was mich persönlich weiter bringt und mir persönlich Freude bereitet und Trost spendet. Und das ist für mich die Kunst.“
Seitdem ist das Aquarell ein von ihr gerne verwendetes Stilmittel und Florales wird in zarten Pastelltönen zu Bildkompositionen verwoben. Trotz Auflösung der realen Struktur bleibt sie stets dem Vorbild der Natur verpflichtet und begnügt sich im Sinne von Emil Nolde nicht mit dem naturalistischen Abbilden der Natur, sondern generiert künstlerischen Wert erst durch einen sehr individuellen Fokus der Interpretation.
Auf Papier setzt sie durch bewusste Leerstellen zarte und doch unverkennbare Akzente in Pastell, ein Markenzeichen ihres Ausdrucks. Der Blick geht dabei in die Tiefe des Bildes, Konturen lösen sich auf, Schatten und Licht umspielen Umrisse. Dennoch geben die Werke Dynamik und Entschlossenheit wieder.
„Viele vergessen, dass sich Bilder verändern. Je nach Stimmung und Gefühlslage nimmt der Betrachter anderes wahr, entdeckt Neues. Mit meinen Bildern möchte ich die Menschen zum Entschleunigen und einem Abstreifen der Informationsüberflutung einladen.“
Heute entstehen in ihrem Atelier in Waidhofen an der Ybbs, wo sie seit 1999 ihren Lebensmittelpunkt hat, laufend neue Aquarelle, Graphiken in Bleistift, Buntstift, Pastell, Tusche und Tinte in Schraffurtechnik.
Inspiration ist für sie auch die klassische Musik. „Das Faszinierende daran ist, dass man sich an ihr nie satt hört, denn man hört immer wieder Neues heraus. Eben lebendige Musik.“ Dagmar Schauer verrät, sie hoffe, dass auch etwas davon in ihre Arbeiten miteinfließe.
„Das größte Geschenk ist für mich, wenn Leute mir erzählen, dass sie aus meinen Bildern Kraft schöpfen können, immer wieder Anderes sehen und Neues in den Bildern entdecken. Das macht mir die größte Freude, denn es bedeutet auch, dass die Bilder lebendig sind.“
„Eine Schwester sagte einmal zu mir: Früher hat es mir gereicht, mir dekorative Bilder an die Wand zu hängen, jetzt möchte ich Bilder, aus denen ich Kraft schöpfen kann und aus deinen kann ich das.“
Verfasst von Elisa Maria Schauer, 2.12.2020